Die Zeit vergeht erstaunlich schnell und plötzlich erhalte ich eine Einladung zu einem Jahrgangstreffen. Es gibt wundersamer Weise in fast jeder Schule ein paar Personen, die unermüdlich über Jahrzehnte Adressen pflegen und es tatsächlich schaffen, so ein Jahrgangstreffen nach vielen Jahren zu organisieren.
Mein Jahrgang liegt weit vor der Erfindung des iPhones und des Internets. Auch Mobiltelefone, Microsoft Windows oder gar Linux waren zu dieser Zeit noch nicht erfunden. Wie konnten wir damals eigentlich leben? 🙂 „Digitalkommunikationstechnisch“ stellt so ein Projekt mit immerhin 150 Personen, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen haben, durchaus eine Herausforderung dar. Es gibt digitale Einsteiger, Fortgeschrittene, Nerds, Aktivisten, Entwickler, Journalisten und Unerreichbare.
Nun geht es in diesem Blog ja immer um praktische und freie Lösungen und daher möchte ich drei Bausteine beschreiben, die wir neben E-Mail für die Veranstaltung benutzen.
Es handelt sich um das Messenger-System Signal, die soziale Netzwerk Software Friendica und die Videokonferenz-Software Jitsi.
Ein Gruppenchat mit Signal
Für ein Jahrgangstreffen ist ein Gruppenchat „nice to have“. Es geht auch ohne Chat, aber mit Chat wird es vielleicht netter und man kann sich bereits vor dem eigentlichen Treffen austauschen.
Die Wahl eines Messenger-Systems für einen Gruppenchat ist allerdings heikel. Ich schildere mal exemplarisch meine Situation. Um mit den Personen kommunizieren zu können, die mir wichtig sind, nutze ich E-Mail, Telegram, Signal, Matrix, Mattermost, Chatsecure (Jabber), Discord, FaceTime, Wechat und … tadaa … auf einem alten Android Telefon für eine Person WhatsApp. Die ganze Situation ist nicht wirklich gut. Datentechnisch teilen vermutlich mehr als 1,000 Personen, die ich kenne ihr Adressbuch mit irgendwelchen Apps und verbreiten so meine Telefonnummer und meine Metadaten.
Nun ist mein Kommunikationsverhalten sicher nicht repräsentativ, aber es ist schon faszinierend, wieviele Möglichkeiten es gibt, sich gegenseitig Nachrichten zu schicken.
Glücklicherweise gibt es die aktuelle Messenger-Matrix, in der die Eigenschaften der einzelnen System verglichen werden (je grüner, desto gut).
Empfehlenswert sind Signal und Matrix.
Signal für Einsteiger, Matrix für Fortgeschrittene.
Wir wählten daher Signal.
Die Bedienung ist einfach und die Chats sind verschlüsselt.
Eingeladen wurde alle Teilnehmerinnen per E-Mail über einen Link zur Gruppe und einem QR-Code der auf einem Smartphone ebenfalls zur Gruppe führt.
Es gibt noch einen Vorteil: wer es einmal zu Signal geschafft hat, kann vielleicht eher von WhatsApp lassen 🙂
Eine Community Plattform mit Friendica
Ausser einer Chatgruppe benötigten wir auch einen Online-Platz, auf dem Nachrichten, Bilder, Termine und natürlich alte und neue Fotos geteilt, geliked und kommentiert werden können.
Im Prinzip so etwas wie Facebook, aber auch diese Anforderungen erfüllen:
- es sollte freie Software sein
- es sollte mehr als 10 Jahre, bis zum nächsten Treffen funktionieren.
- es sollte einfach bedienbar sein
Nach etwas herumprobieren haben wir uns für Friendica entschieden. Friendica ist Teil des Fediverses und kann selbst gehostet werden. Es existiert seit 13 Jahren und basiert auf PHP und MySQL. Es gilt als „gut abgehangenes“, recht einfach installier- und wartbares Stück Software.
Friendica nutzt das ActivityPub Protokoll und ist dadurch auch zukunftssicher. Die Daten können einfach exportiert werden. Per API Zugriff lässt sich auf das Portal auch mit jeder Mastodon App zugreifen. In den Apps steht zwar nicht die volle Funktionalität von Friendica zur Verfügung, doch es ist ganz praktisch, weil man „mal schnell“ eine Nachricht schreiben und ein Foto hochladen kann.
Google Android:
Apple iOS, iPadOS:
Es gibt keine spezielle Friendica App, aber jede Mastodon App arbeitet mit Friendica zusammen.
Normalerweise ist eine friendi.ca Installation mit vielen anderen Servern verbunden und ermöglicht so Interoperabilität mit anderen Diensten (siehe auch Blog Post von 9.5.2002: #neuhier – von Plattformen und Hypertexten). Für unseren speziellen Fall haben wir in den Einstellungen allerdings den öffentlichen Zugriff auf Profile blockiert. Wer sich nicht anmeldet, kann nichts sehen und nichts posten.
Ein wenig verzwickter ist es mit der Anmeldung. Anfangs war sie komplett offen. So nach und nach meldeten sich aber auch Personen an, die ein wenig nach SPAM aussahen. Wir stellten die Registrierung so um, dass neue Konten von einem Admin bestätigt werden mussten.
In Friendica lassen sich auch „Organisationkonten“ erstellen. Das ist praktisch für unsere Zwecke, denn dadurch gibt es ein „Offizielles Konto“ für News.
Webkonferenzen mit Jitsi
Novatrend betreibt seit März 2020 unter dem URL https://meet.novatrend.ch eine kostenlose Möglichkeit Videokonferenzen mit Jitsi durchzuführen (siehe auch Blogpost vom 13.4.2020 Videokonferenzen auf meet.novatrend.ch).
Über die letzten Jahre wurde Jitsi erheblich verbessert und so konnten wir uns in der Vorbereitung sehr einfach und komfortabel online treffen.
Da viele Personen nicht persönlich zum Jahrgangstreffen kommen können, nutzen wir Jitsi bei dem Event auf einem Tablet als Life-Konferenz-Tool.
Fazit
Es ist heute relativ einfach unter Verwendung freier Software möglich, solche durchaus komplexen Hybrid-Veranstaltungen mit überschaubarem Aufwand zu organisieren. Das Friendica Portal hosten wir selbst, für die Signal Gruppe nutzen wir den „offiziellen“ Signal Server und für die Online-Konferenzen den Novatrend Jitsi-Service. Signal und Jitsi hätten wir auch selbst hosten können.
Darüberhinaus gibt es natürlich noch „die“ Microsoft Excel-Liste mit allen Adressdaten. Beim nächsten Klassentreffen wird sie in einer Nextcloud liegen 🙂
tl;dr: Auch grössere Treffen lassen sich hervorragend digital mit freien Tools begleiten und organisieren.
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