Hast du schon mal versucht, dein Benutzerkonto bei einer Plattform wie Facebook, Amazon, Ebay, Microsoft, Google, Apple oder anderen zu löschen?
Vermutlich hast du den Link „Benutzerkonto löschen“ nicht sofort gefunden und eine Weile gesucht. Vielleicht hast du auch aufgegeben, weil du nicht soviel Zeit zum Suchen hattest. Das Anlegen des Benutzerkontos ging aber vermutlich sehr schnell.
Dieses Verhalten ist kein Zufall, sondern vielleicht ein Dark Pattern, ein dunkles Muster – eine Grauzone. Natürlich sollte es möglich sein das eigene Konto zu löschen. Wie einfach das bewerkstelligt werden kann, ist allerdings nicht so klar definiert.
Unter dem Begriff Dark Pattern versteht man ein Benutzer-Schnittstellen-Design, das eine Person dazu bringt, eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, die nicht den Interessen dieser Person entspricht.
So ist es sicher irgendwie möglich das eigene Benutzerkonto zu löschen. Wenn es aber sehr lange dauert, den Bereich zu finden, in dem es gelöscht werden kann, dann gibt man vielleicht auf und löscht es eben nicht.
Es ist nachvollziehbar, dass Plattformen einmal gewonnene Benutzer nicht so gern wieder gehen lassen. Es ist aber schon faszinierend, welche Bandbreite an „Tricks“ genutzt werden um Personen in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Das oben beschriebene „Konto löschen“ Muster nennt man auch Roach Motel (Schaben Motel). Es bringt Personen dazu, einfach in eine bestimmte Situation zu kommen, macht es der Person aber schwer, aus dieser Situation wieder herauszukommen. Das Anlegen eines Kontos geht sehr einfach und schnell, das Löschen des Kontos ist allerdings kompliziert. Das Muster funktioniert auch ganz hervorragend bei Premium Subscriptions jeder Art!
Beispiele
Um den Begriff etwas greifbarer zu machen, will ich hier ein paar einfache Beispiele auflisten.
Zustimmung zur Verwendung von Cookies
Wenn du eine Site besucht, die eine Zustimmung zur Nutzung von Cookies haben will, so sieht das oft aus wie im folgenden Screenshot.
Es ist einfach den roten Button Zustimmen zu klicken und man kann das ja auch jederzeit widerrufen … aber wo und wie?
Formularfelder (Privacy Zuckering)
Beim Ausfüllen eines Formulars wird etwas abgefragt, das du eigentlich nicht öffentlich teilen willst. Das Muster ist benannt nach dem Facebook-CEO Mark Zuckerberg.
Ich habe neulich versucht, online Eintrittskarten für ein Museum zu kaufen. Auf der entsprechenden Site sollte ich mir zu diesem Zweck ein Benutzerkonto anlegen und meinem Namen, mein Geburtsdatum, meine E-Mail und meine Telefonnummer hinterlegen.
Ich habe die Eintrittskarten nicht online bestellt.
Im Nachhinein stellte sich heraus, das Personen unter 18 Jahren das Museum kostenlos besuchen dürfen und daher das Alter abgefragt wurde. Weil die Besucher:innen auf kurzfristige Ankündigungen per E-Mail oft nicht reagieren, wird zusätzlich die Telefonnummer abgefragt um bei Bedarf anrufen zu können. Was sicher gut gemeint ist, könnte auch anders (> 18 Jahre, Ja/Nein) oder im Falle der Telefonnummer, optional mit einem erklärenden Hilfetext abgefragt werden.
Getarnte, ablenkende Werbung
Gerade bei Download-Sites, bei denen man auf einen bestimmten Button klicken muss, um etwas herunter zu laden, wird gern neben dem „echten“ Download-Button Werbung angezeigt, bei der auf den ersten Blick unklar ist, ob es ein Teil des Inhalts oder eben Werbung ist. Im folgenden Screenshot lässt es sich leicht erkennen, weil ich mit einer französische IP-Adresse eine deutsche Website aufrufe und dann zielgerichtete Werbung erhalte. Das Muster funktioniert in diesem Fall natürlich nicht, da eine andere Sprache verwendet wird und die Werbung dadurch leichter erkennbar ist.
Unbemerkte Dinge im Warenkorb
Du legst etwas in den Warenkorb und stellst fest, dass da schon etwas drinliegt. Oft ist dieses zusätzliche Teil abhängig von bestimmten Parametern (Checkboxen, Buttons, Cookies) hineingelegt worden. Im günstigsten Fall ist es zumindest kostenlos, also positiv formuliert ein Geschenk, aber so prinzipiell wolltest du es gar nicht haben.
Versteckte Kosten
Im letzten Schritt des Checkouts entdeckst du Kosten, die vorher gar nicht erwähnt wurden (Lieferkosten, Steuern, Zollgebühren, Verpackung, etc). Du hast aber nun bereits so viel Zeit investiert, dass du vielleicht zähneknirschend zustimmst und bestellst.
Harry Brignull
Harry Brignull, ein Sachverständiger für irreführende Benutzererfahrungen bei digitalen Produkten, hat bereits im Jahr 2010 den Begriff der Dark Patterns geprägt.
Auf seiner Website darkpatterns.org und dem Twitter User @darkpatterns stellt er viele Beispiele vor.
Einen guten Überblick bietet auch das folgenden Video über Dark Patterns. 7 Minuten, die sich wirklich lohnen – in denen vermeintliche Fusseln auf dem Bildschirm dazu führen, das Werbebanner geklickt werden und gezeigt wird, wie man denn nun seinen Amazon Account löschen kann und wie LinkedIn wegen der Verwendung illegaler Dark Patterns angeklagt und verurteilt wurde.
Dark Patterns stehen […] oft in einer rechtlichen Grauzone und sind zum Teil – abhängig von der jeweiligen Gesetzgebung – im Interesse des Konsumentenschutzes gesetzlich verboten. Laut der Stiftung Neue Verantwortung haben Dark Pattern Auswirkungen auf Privatsphäre, Verbraucherschutz, Plattformregulierung, Wettbewerbspolitik und Jugendschutz.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dark_Pattern
Fazit
Eigentlich ist es unglaublich, was wir uns da teilweise ohne Widerspruch bieten lassen. Seit mehr als 10 Jahren ist das Thema bekannt, aber auch heute existiert kaum eine Regulierung für den Einsatz von Dark Patterns. Der beste Schutz gegen diese Art von digitalem Produkt-Design ist daher ein möglichst umfassendes Wissen über verwendete Dark Patterns.
Links
- Dark Patterns: Design mit gesellschaftlichen Nebenwirkungen
- darkpatterns.org
- https://de.wikipedia.org/wiki/Dark_Pattern
tl;dr: Digitales Produktdesign ist ein neues und zunehmend wichtiges Regulierungsfeld in dem bisher kaum Erfahrungen vorliegen.
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