Arbeitsplatz

Remote Work: Könnt ihr mich hören?

Das Corona Virus ist da und plötzlich arbeiten viele nicht mehr im Büro, sondern „remote“, „mobil“, im „Homeoffice“, als „Telearbeiter:in“ oder als „digitaler Nomade“. Es gibt für diese Art des Arbeitens noch kein eindeutiges Wort, ich bleibe daher im weitere Verlauf des Artikels bei „remote“.

An der Stelle, an der du dich jetzt gerade befindest, könntest du auch deine Arbeit erledigen. Kein Hochhaus, kein Büro, kein Stau, keine U-Bahn. Telefonleitungen und Internet machen „remote work“ möglich.

Für viele ist diese Form des Arbeitens auch im Jahr 2020 immer noch etwas Neues oder Ungewöhnliches. Bei manchen Tätigkeiten ist remote work auch schwierig. Wer in einer Fabrik „physikalisch Dinge bearbeitet“ kann das meistens nicht remote erledigen. Auch Friseur:innen benötigen Kontakt zum Kopf der Kunden. Ein Haarschnitt könnte allerdings immerhin beim Kunden erfolgen, ja man könnte sich sogar irgendwo treffen, um die Haare zu schneiden.

So richtig gut funktioniert remote work, wenn die Arbeit nicht an einen Ort gebunden ist. Ein Computerprogramm bedienen, Formulare ausfüllen, Texte schreiben, reden, entscheiden, denken – aber wie geht das ganz praktisch?

Was mache ich eigentlich, wenn ich „arbeite“?

Bevor man aus seinem Büro auszieht um remote zu arbeiten, ist es hilfreich, die Frage: Was mache ich eigentlich, wenn ich „arbeite“? für sich selbst ehrlich zu beantworten.

  • Wieviel Zeit verbringe in Meetings?
  • Wieviel Zeit verbringe ich mit Kollegen?
  • Wieviel Zeit arbeite ich?


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(Die drei Striche stehen für das lange Nachdenken und die sehr individuellen Antworten 🙂 )

Welcher Werkzeuge bediene ich mich?

Wer auf Papier schreibt, benötigt einen Stift. Das Papier und der Stift funktionieren zwar an jedem Ort dieser Welt, wenn man aber die beschriebenen Papiere weiter bearbeiten will, muss man an dem Ort sein, an dem das Papier, in Akten gebündelt, liegt. Das ist oft ein Büro.

Seit Jahrzehnten wird daher in Büros versucht, ohne mit weniger Papier zu arbeiten um diesen Zwang aufzuheben. Auch im Jahr 2020 ist das papierlose Büro noch nicht verwirklicht, aber es wird doch schon deutlich weniger Papier verwendet.

Viele Prozesse sind mittlerweile digitalisiert und Bearbeitungen werden in Softwareprogrammen durchgeführt.

Technik ist selten das Problem

Für unterschiedliche Tätigkeiten im Büroumfeld gibt es ganz unterschiedliche Lösungen. Hier ist die Unterscheidung von synchronen und asynchronen Tätigkeiten wichtig.

Synchrone Online Meetings

Alle Personen, die an einem Online Meeting teilnehmen, müssen zur gleichen Zeit anwesend sein. Wer es mal mit Online Meetings, also Audio- und Videokonferenzen versucht hat, kennt sicher den Satz „Könnt ihr mich hören?“.

Da man sich ja nicht gemeinsam in einem Raum befindet, muss man sich irgendwie orientieren und synchronisieren. Das erfolgt meist über den Ton, ein Videobild und einen gemeinsamen Chat. Dieser Prozess der Orientierung und Synchronisierung dauert immer eine gewisse Zeit. Bei einer Person geht das Headset nicht, eine andere findet den Chat nicht auf dem Bildschirm, eine Person muss den Rechner neu booten – irgendwas ist ja immer 🙂

Der Prozess der Synchronisierung hat viel mit Vertrauen zu tun. Warum sagt diese Person nichts? Warum hat diese Person ihre Kamera nicht an? Hören die anderen überhaupt zu? Wer ist denn hier alles im Meeting? Benutzen die ihre echten Namen? Ob diese beiden wohl in einem anderen Chat sind und mich gar nicht ernst nehmen? Läuft das was …?

An dieser Stelle entscheidet sich schnell, ob so ein Meeting den gewünschten Erfolg bringen wird. Das ist übrigens bei Meetings in Büros genauso.

Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.

Seit 17 Jahren gibt es Skype. Jeder hat vermutlich in seinem Leben schon mal „geskyped“. Man hört sich, man kann sich sehen, man kann chatten und man kann den Inhalt seines Bildschirms den anderen Personen zeigen. Man kann das alles gleichzeitig machen oder „nur“ reden oder nur chatten oder nur das Kamerabild laufen lassen um ein Team zu visualisieren. Die meisten Meeting Tools funktionieren nach diesem Prinzip. Momentan ist der Service Zoom für Online Meetings sehr beliebt. Je nach Rechtslage, im Sinne von „Wer könnte da mithören?“, geht aber natürlich auch jedes andere „Skype-ähnliche“ Tool.

Extrem hilfreich bei Online Meetings sind die Fähigkeiten der Teilnehmer solche Tools überhaupt bedienen zu können und eine gewisse „Medienkompetenz“. Das sind ganz einfache Dinge wie den Chat zu finden, Fenster größer und kleiner zu ziehen, Mikrofone stummschalten, einzelne Fenster anderen zeigen zu können, Screenshots erstellen, Notizen sammeln, deutlich zu sprechen. Es geht aber auch beispielsweise um das Wissen über die Geschwindigkeit der Internet Verbindung. Kann ich meine Kamera überhaupt einschalten oder bricht dann die Verbindung ab? Ist es hilfreich für die anderen, wenn ich meinen riesigen Bildschirm komplett freigebe? Sehen die überhaupt etwas, wenn sie an kleineren Bildschirmen sitzen?

Auch hier verhält es sich wie bei einem Meeting im Büro. Jemand muss beispielsweise den Beamer mit einem Laptop verbinden (oder das Apple TV oder den grossen Fernseher oder das SmartBoard verbinden 🙂 ) und benötigt einen Adapter oder eine Steckdose oder eine andere Einstellung auf dem Laptop oder die halbautomatische Verdunklung der Fenster. Einer Person ist es zu warm, eine andere braucht Kaffee oder vielleicht lieber Kekse?

A Fool with a tool is nothing but a fool

Chats, Audio- und Videokonferenzen sind bei „remote work“ genauso effizient (oder eben nicht) wie in einem Meetingraum in einem Bürogebäude, in dem alle Personen beisammen sitzen.

Asynchone Kommunikation

Bei asynchroner Kommunikation ist es erheblich einfacher. Asynchron geht irgendwie alles. E-Mails kann man überall auf der Welt bearbeiten! Ticketsysteme sammeln Anfragen und leiten sie durch vorher definierte Prozesse an die richtige Person zur Beantwortung weiter (hoffentlich :)). ToDo Listen können nach und nach abgearbeitet werden.

… und die Menschen?

Für viele Menschen ist das Büro viel mehr als die eigentliche Arbeit. Es ist das gemeinsame Kaffee trinken, das Gespräch auf dem Flur, soziale Kontakte, gemeinsames Essen, gefeierte Erfolge, Jubiläen, Familiengeschichten. Es ist die Kleidung, die Grösse und die Möblierung des Büros, der Ausblick aus dem Fenster, der Status, die Architektur des Gebäudes. Das Fabrikat der Küche, der Kaffeemaschine, des Bürostuhls! Die Auswahl verschiedener Getränke und Snacks. Es ist der Anfahrtsweg, das gewählte Verkehrsmittel, der Firmeneingang mit dem Pförtner, die richtige Zugangskarte. Es geht um Wertschätzung und Vertrauen, aber natürlich auch um Intrigen und Gerüchte. Das Büro ist für viele Menschen der Platz, an dem sie die meiste Zeit ihres Lebens verbringen!

  • Wenn dieser „grosse Klumpen“ Leben einfach so in die eigene Wohnung verlagert werden soll – geht das überhaupt?
  • Wie organisiert man die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben, wenn beides am gleichen Ort stattfindet?
  • Wie reagieren die Familie oder die Mitbewohner auf meine Arbeit zuhause?
  • Wie diszipliniert und organisiert bin ich selbst?

An dieser Stelle wird es etwas komplexer und individueller.

Daher erzähle ich einfach mal wie das bei mir so war und ist. Ich habe bis 1993 mehr oder weniger in Büros gearbeitet. Ab 1993 startete das World Wide Web und für mich war es eine Übergangszeit, in der ich schon E-Mails verschickte, Mobiltelefone und Digitalkameras nutzte und an vernetzten PCs arbeitete. Die Geräte war noch recht teuer, langsam und mühselig zu bedienen, aber so prinzipiell klappte es schon ohne festes Büro zu arbeiten. Ich war (und bin) völlig fasziniert über diese Möglichkeiten.

Trotzdem fahren die meisten Menschen morgens zur Arbeit in ein Büro und abends wieder nach Hause. Oft arbeiten sie in diesem Büro auch „online“ oder „remote“. Sie haben virtuelle Meetings mit Kolleg:innen aus anderen Niederlassungen, telefonieren und chatten mit Kund:innen. Es gibt auch „stille Ecken“ in Grossraumbüros. Die meisten dieser Arbeiten könnte man vermutlich von jedem Ort auf der Welt machen, natürlich auch von „Zuhause“.

Heute, mehr als 20 Jahre später, ist die notwendige Technik leistungsfähiger, kleiner und erheblich billiger geworden. Dokumente sind online verfüg- und bearbeitbar. Novatrend bietet als Bestandteil des Webhostings beispielsweise eine komplette Groupware Lösung an. Das funktioniert hervorragend.

Viele Firmen sind heute weitgehend „digitalisiert“. Die Möglichkeiten online zu kommunizieren sind fast endlos.

Mein wichtigstes Arbeitsgerät ist heute ein Smartphone. Ich kann damit die meisten Dinge erledigen, diesen Blog Post beispielsweise. Ich nutze auch einen kleinen Laptop, weil ich damit schneller tippen kann. Wenn der Platz auf meinem Laptop-Bildschirm nicht ausreicht, schliesse ich ein Tablet als zusätzlichen Bildschirm an den Laptop an – drahtlos – batteriebetrieben. Die Kombination hält etwa 4-5 Stunden. Ich habe seit ein paar Jahren keinen Schreibtisch mehr. Spätestens nach 4-5 Stunden brauche ich eine Pause und meine Geräte brauchen Strom.

2006 erschien das Buch von Holm Friebe und Sascha Lobo „Wir nennen es Arbeit: Die digitale Boheme oder: Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung“. Ich fühlte mich damals so gar nicht als ein Bohemien, aber die Beschreibungen im Buch passten ganz gut auf meine Arbeitsweise.

Vor 15 Jahren, ein Event in Sachsen-Anhalt, Deutschland. Ich führe einen Online-Kurs in einem virtuellen Klassenrum durch. So richtig „in echt“. Die Zuschauer vor Ort konnten mittels Leinwand-Beamer den Kurs verfolgen.

1. September 2005

Ich habe damals in erster Linie online unterrichtet, Texte geschrieben und programmiert. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen in einem bestimmten Büro zu arbeiten und an einem bestimmten Ort zu sitzen.

Zurück ins Büro?

Seit etwa 10 Jahren bemerke ich eine Spaltung in den Firmen. Die einen setzen komplett auf remote work, die anderen wollen die Personen vor Ort in einem Büro haben. Als Gründe höre ich von beiden Seiten oft bessere Zusammenarbeit, Kontrolle, Sicherheit, Geschäftsgeheimnisse und auch das Einsparen von Kosten.

Manche Kunden wollten beispielsweise, dass ich bei ihnen vor Ort bin und „arbeite“. Das „Onboarding“ in so einem Büro kann durchaus mehrere Tage dauern. Ich brauche ja ein WiFi Passwort und Zugriff auf die digitalen Ressourcen der Firma. Manchmal wird der Zugriff auch nicht erlaubt und ich muss an einem Computer der Firma arbeiten. Die Arbeit, die ich dort erledige, könnte ich auch komplett remote erledigen, schneller und preiswerter. Oft merkt der Kunde das auch und nach ein paar Tagen hat er soviel Vertrauen, dass ich wieder remote arbeite.

Wie ist es bei dir?

Wie ist das bei dir?
Arbeitest du remote?
Macht das Spass?
Ist es anstrengend?
Was sind die Vorteile, Nachteile?

Links

Ich habe in diesem Post bewusst vermieden, viele technische Tools aufzuzählen, daher hier eine Auswahl von Artikeln:


tl;dr: Man kann auch von zu Hause arbeiten!


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Kommentare

Eine Antwort zu „Remote Work: Könnt ihr mich hören?“

  1. Avatar von Mai 39

    Wie kommt man an solche Remote Jobs, durch Headhunter?

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