Netzwerke können zentral oder dezentral organisiert werden.
In der zentralen Variante gibt es einen Ort (die Zentrale), in der alle Fäden zusammenlaufen. In der dezentralen Variante gibt es diesen Ort nicht. Hier müssen Spielregeln (Protokolle) die Zentrale ersetzen.
Das gilt grundsätzlich für alle Arten von Netzwerken. Zentrale und dezentrale Elemente können auch vermischt werden. Es ist relativ leicht Beispiele für zentrale Netzwerke zu finden, bei dezentralen Netzen fällt das schon schwerer.
Die Ursache ist ganz einfach. Zentrale Strukturen lassen sich mit überschaubarem Aufwand kontrollieren. Damit meine ich nicht nur böse Abhörszenarien, sondern ganz einfache Zusammenhänge wie: „der Laden soll laufen und Geld verdienen“. Wenn ich ein zentrales System anbiete, muss sich der Besucher oder Kunde nur einmal registrieren, kann seine Daten hinterlassen (Adresse, E-Mail, Kreditkarte) und kann dann in dieser „Welt“ Dinge tun. So ein Modell nennt man Walled Garden. Das funktioniert in der virtuellen Welt (Amazon, Apple ID/Store, Google Login, Facebook Login, Spieleanbieter, etc.) und natürlich auch in der realen Welt. In einem Fitnessclub kann ich mich ebenfalls registrieren und dann Dinge tun. Alle Vereine, Staaten, Clubs und viele andere Gruppen funktionieren nach solchen Prinzipien und grenzen sich mehr oder weniger stark von anderen Gruppen ab. An der Grenze oder der Eingangstür (der Registrierung) ist dann, je nach Ansatz, oft ein Geschäftsmodell angesiedelt. Dort wird ein Vertrag geschlossen, der die Basis für alle weiteren Beziehungen darstellt. Je größer ein zentrales System wird, desto einfacher kann es seine Marktmacht einsetzen. An Facebook beispielsweise kommt heute keiner mehr vorbei (Instagram und WhatsApp gehören ebenfalls zu Facebook). Wer dort nicht registriert ist, kennt zumindest jemanden, der dort registriert ist und wird damit auch ein Teil des Systems. Solange die Geschäftsmodelle beide Seiten glücklich machen, ist das ja auch o.k.
Bei Twitter beispielsweise ist es „so eine Sache“ mit dem Geschäftsmodell. Twitter startete ebenfalls zentral, bot aber anfangs einen kostenlosen Zugriff auf die Tweets an, um Dritten (Programmierern und Firmen) zu ermöglichen, auf der Basis dieser Daten eigene Services anzubieten. Diese Services konnten darüber hinaus das zentrale Twitter Login nutzen und waren in der Gestaltung ihrer Services „frei“. Das klappte zu Beginn auch hervorragend und in kurzer Zeit entwickelte sich eine bunte Welt aus Apps und Websites, die auf der Basis von Twitters Daten eigene Geschäftsmodelle aufbauten und/oder Open Source Software entwickelten. Durch diese freigesetzte Kreativität entwickelte sich Twitter schnell zu DEM weltweiten Newskanal. Ein Flugzeug im Hudson River und zuletzt der Wahlkampf von Donald Trump definierten weltweit die Bedeutung von Twitter. Twitter selbst ging vor 4 Jahren an die Börse, schaltete den kostenlosen Zugriff auf die Daten ab und sucht seither nach einem tragfähigen Geschäftsmodell.
Die Finanzierung der zentralen Twitter Datenbank ist noch immer nicht wirklich geklärt und Initiativen wie If we owned Twitter suchen nach Möglichkeiten das zentral organisierte Twitter System in ein „crowd owned Twitter“ zu verwandeln. Firmen wie App.net wollten es „anders“ machen. Zahlreiche Open Source Projekte versuchen ähnliche System Systeme mit einem dezentralen Ansatz (GnuSocial, Friendica) zu erstellen. In der Vergangenheit sind solche Ansätze oft ohne nennenswerten Erfolg geblieben (Henne-Ei Problem).
Nun gibt es wieder mal ein Projekt … mit lustigen, vorzeitlichen Elefanten als Logo.
Mastodon
Mastodon ist ein freies Open-Source-Netzwerk. Eine dezentralisierte Alternative zu kommerziellen Plattformen. Jeder kann seine eigene Mastodon-Instanz betreiben und sich am sozialen Netzwerk beteiligen.
Es bietet:
- Chronologische Timelines
- Öffentliche Timelines
- 500 Buchstaben pro Post
- GIFs und Videos
- Berechtigungseinstellungen auf Post Ebene
- Werkzeuge um „das Rauschen“ zu filtern und zu blocken
- Keine Werbung, kein Tracking
- Offene API für Apps und Services
Eugen hat es erfunden (Welcome to Mastodon) und technisch ist es eine alternative Implementierung des GNU Social Projekts. Dadurch ist es auch kompatibel mit allen Programmen, die das OStatus-Protokoll nutzen.
Der entscheidende Unterschied zu Twitter ist die verteilte Verbindung einzelner Instanzen (Föderation), genau wie bei E-Mail.
Beim E-Mail System können die Benutzer interagieren. Sie können eine E-Mail von GMail zu Outlook senden und von Outlook zu ein anderen privaten E-Mail Posteingang. Mastodons Verbund ist ähnlich aufgebaut: Benutzer von verschiedenen Seiten (Instanzen) stellen Verbindungen zwischen den Instanzen her, indem sie einander folgen und einander Nachrichten wie in anderen sozialen Netzwerk senden.
Ausprobieren
Bevor du nun sofort deine eigene Mastodon Instanz aufsetzt (was uns bei NOVATREND natürlich sehr freuen würde), solltest du es zunächst bei einer existierenden Instanz ausprobieren. Eine Liste aktiver Instanzen findest du hier. In der Schweiz werden momentan diese 2 Instanzen betrieben.
Nach erfolgter Registrierung und Anmeldung erscheint diese Oberfläche:
In den Preferences lässt sich die Sprache auf Deutsch umstellen.
Der keypat.ch Server beherbergt mit mir 5 Benutzer und es gab bisher eine Nachricht von Marc. Nun gibt es zwei Nachrichten, die heißen bei Mastodon übrigens „Toots“, auf deutsch dann „Troets“ (Elefanten halt).
Auch ich habe nun auf keypat.ch ein Profil. An genau dieser Stelle war ich schon oft bei GNU Social und anderen Projekten. Allein auf einem Server ohne „Freunde“ :).
Hinweis: Ich kenne weder Marc, noch keypat.ch und stelle beide hier als Beispiel für diesen Artikel vor – Danke dafür!
Mit anderen Kontakt aufnehmen
Es gibt ein Tool, das deine Twitter Freunde mit Mastodon abgleicht (Mastodon Bridge). Falls sie eine Mastodon Adressen haben, tauchen sie in der Liste auf und du hast die Möglichkeit ihnen zu folgen.
Eigene Instanz
Mastodon ist in Ruby on Rails geschrieben und die Dokumentation beschreibt die Installation auf einem Linux Server (Production Guide). Es gibt auch ein Docker Paket.
Fazit
Mastodon funktioniert zunächst mal sehr gut und hat immerhin einen kleinen Hype weltweit ausgelöst. Das „Wie finde ich Freunde“ Problem ist elegant gelöst. Die GNU Social Kompatibilität ist ebenfalls sehr gut. Eigentlich könnte es diesmal klappen 🙂
Links
- https://de.wikipedia.org/wiki/Mastodon_(Software)
-
Dezentral und Open Source: Ist Mastodon das bessere Twitter?
- Mastodonten
tl;dr: Mastodon ist eine dezentrale Open Source Microblogging Software mit viel Potential
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